Die große Weichnachtsblogtour

Herzlich Wollkommen bei der Weihnachtsblogtour.

Ich hoffe wir konnten euch jeden Tag auf´s neue, mit dem was wir uns für euch ausgedacht haben, begeistern.

Doch wie das so ist, hat alles eimal ein Ende, so auch unsere wundervolle Weihnachtstour. Somit wünsche ich euch viel Spaß, mit meinem Kullinarischen Gaumenschmaus, und wünsche euch allen besinnliche Weihnachten und einen fleißigen Weihnachtsmann.

 

 

Weihnachtsessen in Schottland

 

Wild und Geflügel, statt Würstchen und Kartoffelsalat

 

 

 

 

 

Ihr Liebt das Kochen? Das Experimentieren mit Lebensmitteln? Euch sind Würstchen und Kartoffelsalat zu eintönig, und ihr wollt endlich einmal etwas anderes auf den Tisch? Dann lasst euch von mir in die Kulinarische Weihnachtsküche nach Schottland entführen.

 

 

 

Was bei uns zur Tradition Würstchen und Kartoffelsalat, Stollen und eine heiße Schokoladen, oder gar Glühwein gehört, ist bei den Schotten Lauchsuppe ( Cock-a-leekie ) oder gar ein wundervoller Räucherlachs, zur Vorspeise. Zum Hauptgang wählen sie aus Wild oder Geflügel, das sie sich nach langer Zubereitung auf der Zunge zergehen lassen, als i – Tüpfelchen die sogenannte Nachspeise ist ihr heiß berüchtigter Plumpudding ( Wobei der Plumpudding gar nicht Schottisch ist, sondern seinen Ursprung in England hat.) dazu Punsch. Am Ende wenn das wundervolle Festmahl verzerrt ist, wird bei einer Gemütlichen Runde vor einem prasselndem Kaminfeuer der teure gut gelagerte Whiskey zu Munde geführt.

 

 

 

Jetzt läuft euch sicher das Wasser im Munde zusammen, doch da kann ich Abhilfe schaffen. Wenn ihr zu Weihnachten auch einmal so Speisen wollt, wie unsere Schotten, dann hab ich hier genau das richtige für euch.

 

 

Vorspeise Cock-a-leekie

 

Zutaten

 

Für 8 Personen

 

1 küchenfertiges Hähnchen (ca. 1,4 kg)

 

Salz

 

weißer Pfeffer

 

2 Lorbeerblätter

 

1/2 Bund Petersilie

 

4 Stiel(e) frischer Thymian

 

3 Scheibe Frühstücksspeck

 

2 kg Porree (Lauch)

 

100 g getrocknete halb weiche Pflaumen ohne Stein

 

Zubereitung

 

Hähnchen waschen und in einen Topf geben. Etwa drei Liter Wasser angießen, so dass das Hähnchen bedeckt ist. Zwei Teelöffel Salz, Lorbeer, Petersilie, Thymian und Speck zugeben. Alles aufkochen und im offenen Topf 1 1/2 Stunden köcheln lassen.
Entstehenden Schaum mehrmals abschöpfen. Porree putzen, waschen und fein schneiden (würfeln). Nach 30 Minuten Garzeit 1/3 des Porrees zum Hähnchen geben und mit garen. Hähnchen herausnehmen und etwas abkühlen lassen.
Brühe durch ein Sieb gießen und aufkochen lassen. Rest Porree und Pflaumen zugeben und weitere 15 Minuten köcheln lassen. Hähnchenfleisch von Haut und Knochen lösen und in mundgerechte Stücke schneiden.
Suppe mit Salz und Pfeffer kräftig abschmecken. Fleisch zugeben und darin erhitzen. Alles anrichten.

 

 

 

 

 

 

Der Hauptgang

 

Truthahnroulade mit Pflaumen- und Hackfleischfüllung

 

Zutaten für 8 Personen:
1,5 kg Truthahnfilet
8 Trockenpflaumen
300 g Truthahnhackfleisch
1 kleines Glas Portwein
1 Ei
Salz und Pfeffer
150 g Butter
8 Thymianzweige Rotwein zum Ablöschen

 

Zubereitung:

 

Die Pflaumen werden entkernt und über Nacht in Portwein eingelegt.
Das Ei unter das Hackfleisch mischen, mit Salz und Pfeffer würzen. Anschließend die Pflaumen hinzufügen. Truthahnfilet auslegen und das Hackfleisch in der Mitte verteilen. Dann die Längsseite des Filets vorsichtig zusammenrollen und mit Bindfaden fixieren. Das Fleisch in einem Bräter ca. fünf Minuten mit etwas Butter von allen Seiten anbraten. Übrige Butter hinzugeben und den Bräter in den auf 180 Grad vorgeheizten Backofen schieben. Die Roulade etwa 45 Minuten garen, dabei öfter wenden und mit Bratenfett beträufeln. Die Roulade mit einer Alufolie bedecken und 15 Minuten im ausgeschalteten Ofen ruhen lassen. Bratensatz mit etwas Rotwein zur Sauce verrühren. Roulade in etwa 2 cm dicke Scheiben schneiden und mit Röstkartoffeln servieren.

 



 



 

 

Nachspeise

 

Ein besonderes Plumpudding Rezept

 

Zutaten

 

Eine ca. 2l fassende Schüssel
225g Butter (oder Talg)
225g brauner Zucker
200g Mehl, gesiebt
250g Johannisbeeren
225g Rosinen
175g Sultaninen
25g gehackte Mandeln oder Nüsse eigener Wahl
25g glasierte Kirschen
175g frische Semmelbrösel
Geriebene Schale + Saft einer Orange
Geriebene Schale einer Zitrone
1 Zitrone
1 Teelöffel Muskatnuss
1 Teelöffel gemischte Gewürze (Mischung aus Zimt, Muskat, Piment u.a.)
2 groβe Eier
Eine groβzügige Menge an Guinness (bis zu 0.5l)
Eine groβzügige Menge an Whiskey (weniger)

 

 

Zubereitung:

 

Butter schmelzen lassen und alle Zutaten unter ständigem Rühren zugeben bis alles vermischt ist

 

Die Mischung in eine mit Butter gefettete Schüssel geben und mit Pergamentpapier und Alu-Folie abdecken

 

In einem Dampfkochtopf mit dicht schließendem Deckel für 5-6 Stunden dampfen. Gelegentlich den Wasserpegel checken und notfalls kochendes Wasser nachgiessen

 

Nach dem Abkühlen wieder mit neuem Pergamentpapier und Alu-Folie abdecken

 

Am Weihnachtstag die Abdeckung entfernen und erneut für 2-3 Stunden in’s Dampfbad stellen.

 

Der Plum- oder Christmas Pudding ist extrem lange haltbar (kein Wunder bei dem Alkoholgehalt) und die Reste werden oft nochmals zu Ostern aufgetischt.

 

Es spricht übrigens überhaupt nichts dagegen auch eine alkoholfreie Variante zu backen, jedoch solltet Ihr dann die Mengenangabe der anderen Würzzutaten überdenken.

 

Wer also nicht auf Kalorien achten muss und wem der Weihnachtsbraten noch nicht genug ist, der kann sich mit diesem leckeren Nachtisch den Rest geben.

 


 

Ich hoffe ich konnte euch ein wenig in die Weihnachtliche Atmosphäre nach Schottland schicken, und wünsche euch viel Spaß beim Festlichen Speisen a` la Schottland.

 


 

Blogtour

Nicole Chrisholm's Weston Saga

 

Autorin der Weston Saga Nicole Chrisholm
Autorin der Weston Saga Nicole Chrisholm

Heute entführe ich euch in die Welt der Autorin Nicole Chrisholm. Sie schreibt wundervolle Geschichten die sich im 19. Jahrhundert bewegen. Wer also die Bücher noch nicht kennt hat echt etwas verpasst. 

Natürlich könnt ihr diese wunderschönen Lesezeichen gewinnen. Beantwortet folgende frage und hüpft in denn Lostopf.....   

 

 

Was war laut Gesetz strengstens Verboten?

 

Die Antwort findet ihr im Buch "Das Flüstern des Goldes "

 

 

 

 

 

 

 

Aber das war natürlich nicht alles, und somit möchte ich euch mit meinen Rezensionen zu Band 1 und auch Band 2 ebenso mit ein paar kleinen Häppchen bestehend aus kleinen Leseprobe,  diese Saga Schmackhaft machen.

 

 

Meine Rezension zu Band 1, auch zu finden unter Rezensionen Historische Romane....

 

Inhaltsangabe zu „Die sieben Meere der Mutigen: Weston Saga 1, historischer Roman“ von Nicole Chisholm

 

Eine Frau. Ein wildes Herz. – Wie stark muss ihre Seele brennen, bis sie in die Freiheit stürmt? London, 1807. In Frances lodert das Abenteuer und der verrückte Gedanke, die Welt zu bereisen. Doch ein Unglück reißt ihre Zukunft ins Ungewisse. Ist es wirklich nur eine bittere Laune des Schicksals? Oder lauert ein Feind in ihrem Nacken? Von Frances wird fortan erwartet, sich der strengen Etikette der Gesellschaft zu verschreiben. Aber sie wählt den Weg der Mutigen. Im Geheimen forscht sie nach Antworten und findet die Spur zu ihrem Widersacher. Und schon zieht sich eine Schlinge um ihren Hals. So fest, dass es nur noch einen Ausweg gibt … Im ersten Band der Weston Saga von Nicole Chisholm zeigen sich die Gegensätze der noblen Gesellschaft und Londons Zwielicht. Aber das ist erst der Anfang von Frances schillerndem Leben. Ferne Ufer, Überlebenskämpfe und Intrigen warten in den Folgebänden auf, sowie zwei Herzen, die für die Liebe genau so bluten wie fürs Freisein.

 

Meine Meinung

 

Dieses Buch zeigt mit seinen Ereignissen und Handlungen auf, welchen Wert, die Frau im 19 . Jahrhundert hatte, ebenso stellt es die Rolle der Frau ziemlich auf den Kopf.

 

Durch den lockeren, flüssigen und sehr angenehm zu lesenden Schreibstil der Autorin, kann man die Handlungen, Taten und Ereignisse der Geschichte und Charaktere sehr gut folgen und nachvollziehen.

 

Mir hat dieses Buch, wobei sich die Geschichte in und um das Historischen London dreht und auch dort die Geschichte abspielt sehr gefallen.

 

Klare Kauf und Leseempfehlung!

 

5/5 Sterne

 

Und ebenso zu Band 2.... ohne euch zuviel zu verraten.......

 

Inhaltsangabe zu "Das Flüstern des Goldes " von Nicole Chisholm 

Sie folgt dem Flüstern des Goldes – und gerät in einen Orkan aus Liebe und Verrat.

Schottland, 1812
Seit der Flucht aus England prägt die Armut Fran Westons Alltag. Ein Schatz im Indischen Ozean könnte sie aus den Fängen der Mühsal befreien. Ohne Geld, ohne Gönner und ohne Schiff – ein unmögliches Unterfangen. Die Gesetze und die Gesellschaft stellen sich ihr in den Weg wie eine unüberwindbare Mauer. Gemeinsam mit ihren Freunden und Komplizen beschließt sie einen waghalsigen Plan.

Auf ihrer Reise zum Gold trüben Zweifel und Misstrauen die Tage. Fran kämpft um ihre Autorität, führt ein Rennen gegen die Zeit und ahnt noch nicht einmal, wer ihr wahrer Feind ist. Und da wäre auch noch dieser Mann, in dessen Saphiraugen sie sich auf Anhieb verirrt …

 

 

 

 Rezension zu Das Flüstern des Goldes von Nicole Chrisholm

 

Natürlich möchte ich euch nicht zu viel verraten, aber soviel sei gesagt. Wer Band 1 mochte wird dieses Buch lieben. Den auch hier befinden wir uns in frühen Jahrhundert, wo uns Einblicke in das Leben gewährt wird.

 

Die Autorin muss auch hier eine menge Zeitaufwand betrieben haben, um Recherche zu betreiben, da man auch hier viele Dinge erfährt die ich so nicht wüsste.

 

Der Schreibstil war wieder einmal wunderbar leicht und sehr angenehm zu lesen. Dieses Buch hat mir wahrlich schöne Lesestunden bereitet.

Von mir bekommt Das Flüstern des Goldes eine klare Kauf und Leseempfehlung.

 

5 von 5 verdiente Sterne

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nun kommen wir zu der Leseprobe, die aus den ersten beiden Kapiteln besteht.

 

 

1.

Dundee, 1812

 Der Mondschein legte einen milchigen Schleier über die Grabsteine, und die Tannen, die den Friedhof säumten, sahen wie schwarze Gestalten auf mich herab. Mich fröstelte. Die Düsternis schien jeden Laut zu verschlucken. Nur zwei Fledermäuse flatterten über mich hinweg und erzeugten ein Geräusch wie Messer, die in Windeseile geschliffen werden. 

 Ich blickte in das Loch, das ich gegraben hatte, und starrte auf ihr Gesicht, das Gesicht einer Fremden, einer Toten. Es sah aus, als hätte sie Blutkrusten auf den Wangen, dabei war es nur die Erde, die noch an ihrer Haut klebte. 

 Bei der allerersten Leiche, die ich auf den Karren geschoben und mit einem dumpfen Geräusch auf den Wagen gerollt hatte, war mir klar geworden, wie weit ich für mein Ziel zu gehen bereit war. Dieses erste Mal lag nun schon zwei Jahre zurück. Der Ekel über die Toten hatte sich inzwischen gelegt. Nur mein Gewissen haderte manchmal noch mit meinem Bestreben, aus den Jenseitigen ein Geschäft zu machen.

 Wer mochte die Frau gewesen sein? Welches Gesicht hatte der Tod ihr gezeigt, bevor sie ins Grab gelegt worden war? Ich spähte zum Himmel empor, sprach ein Gebet und hoffte, dass ihre Seele längst in Gottes Händen war, aufgehoben und in die Güte des Allmächtigen gehüllt. Doch der schwarze Himmel über mir gewährte mir keine Beruhigung. Die Wolken, die sich über die Sterne geschoben hatten, wirkten wie grimmige Zeugen, die meine Arbeit verurteilten. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Aber ich musste weitermachen.   

 Ein Tuch lag schon auf dem Wagen ausgelegt. Ich schob meine Arme unter ihre Achselhöhlen und hievte sie empor. Ihre schlanke Figur war ein Segen, denn so konnte ich sie auf den Wagenboden bringen, ohne mir den Rücken zu zerren. Ich faltete ihre eisigen Hände ineinander und wickelte das Tuch um ihren Körper, so sanft, als ob sie nur schlafen würde. 

 Mit der Schaufel machte ich mich daran, die Erde wieder in das Grab zu werfen. Kalter Schweiß klebte unter meinem Wollkleid. Meine Gedanken schweiften dabei erneut zu den Sünden, die ich mir auferlegte. Was ich hier tat, war würdelos und bar jeden Rechts. Aber was blieb mir anderes übrig? Die Ausgrabung der Leichen war meine einzige Chance auf einen Zuverdienst. Ich brauchte das Geld dringend. Der Lohn von der Taverne wurde größtenteils von der Zimmermiete verschluckt. Im ersten Jahr nach meiner Ankunft in Dundee hatte ich zusätzlich als Waschfrau gearbeitet und einer Gouvernante jeden Sonntag mit der Wäsche für ein Herrenhaus geholfen. Nichts weiter als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Also verfasste ich am Abend bis tief in die Nacht hinein Briefe für Leute, die nicht schreiben konnten. Doch genau jene, die des Schreibens nicht mächtig waren, waren arm und konnten mir für einen Brief nur einen Penny geben. Ich hätte wohl noch ein weiteres Jahrzehnt als Schankfrau schuften müssen, um mein Geld für das Schiff zu vermehren. Ein Jahrzehnt! 

 Es war eine glückliche Fügung gewesen, dass ich durch Nate an Dr. McBride geraten war, der mir für jede Leiche einen annehmbaren Betrag zahlen wollte. Nate, Duncan und ich nannten den Doktor unter uns Dr. McDeath. »Ein Opfer für die Wissenschaft«, rechtfertigte er seinerseits die Sünde, schnitt die Toten nach Ablieferung auf und studierte ihre Organe, was nach Gesetz streng verboten war. 

 Ich schaufelte die letzte Erde auf das Grab zurück, stieg auf den Wagenbock und fuhr in dieser milden Frühlingsnacht Richtung Küste. 

 Mit jedem Gedanken an mein Ziel, die Angélique, verflüchtigte sich ein Teil der Scham. Wieder ein paar Pfund dazuverdient, lobte ich mich, und rechnete im Kopf die Gesamtsumme auf, die ich beisammen hatte. Der heulende Wind nahm meine Reuegefühle endgültig mit sich und lockerte meine angespannten Glieder. Noch drei oder vier Leichen und ich würde Dempster gegenübertreten können, den Betrag für den Beitritt in die Society of Free Merchandisers bezahlen und mit der Angélique davoneilen.

 Sie war ein in die Jahre gekommener Zweimaster. Vermutlich ein Schiff, das als Veteranin der See nur noch auf einem abgewetzten Kiel durchs Wasser trieb. Duncan hatte die Brigg begutachtet. Die Begeisterung war ausgeblieben, aber zumindest hielt er sie für seetauglich, was er als ehemaliger Kapitän beurteilen konnte. Ich musste darüber schmunzeln, denn die Angélique und er wären ein gutes Paar – beide vom Leben gezeichnet und kurz vor dem Abtritt ins Jenseits. Nur mit dem Unterschied, dass die Angélique nicht soff wie ein Loch. 

 Wie dem auch sei, ich gab mich mit wenig zufrieden. Mit dem Schiff würde ich endlich die Tropfen der Gischt auf meinen Wangen spüren, die Mühsal der Arbeit hinter mir lassen und nur noch meine eigene Herrin sein. Mochten die anderen sich darüber amüsieren oder den Kopf schütteln – ich würde es schaffen. 

 Der Karren ratterte durch ein Wäldchen. Tiefe Dunkelheit umgab mich. Die Stute kannte den Weg, und ich legte mich in ihre Obhut, bis ich am Waldrand wieder vom Mondlicht begleitet wurde. Von hier aus führte eine Straße mit Senken und Löchern in Richtung Küste. Mein Hintern lag kaum mehr auf dem Kutschbock auf, wurde immer wieder in die Luft gehoben, und ich gab mir Mühe, meinen Körper ins Gleichgewicht zu bringen. Wiederholt warf ich einen Blick nach hinten, um zu sehen, ob die Tote noch im Karren lag. 

 Da hörte ich es.

 »Hoh«, sagte ich, und die Stute blieb stehen. 

 Pferdegetrappel hinter mir. Um diese Zeit? Das Klacken der fremden Hufe verstummte. Ich drehte meinen Oberkörper und sah nichts außer den Umrissen der Felder, eine Steinmauer, die die Schafwiese einzäunte, und weit entfernt das Dunkel des Waldes. Sofern mich jemand verfolgte, musste sich diese Person hinter der letzten Biegung befinden. 

 Meine Hände fühlten sich auf einmal an wie Eiszapfen, und mein Herz schlug schneller. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Fahrt wieder aufzunehmen. Ich hatte keine Waffe bei mir. Duncan wie auch Nate fanden das fahrlässig, doch ich weigerte mich, etwas bei mir zu tragen, womit ich jemanden hätte verletzen können. Ich war in England bereits eine gesuchte Mörderin. Aus Notwehr hatte ich den Gassenkönig Crawler erstochen. Doch hier in Schottland sollte meine Weste rein bleiben. Oder zumindest nicht noch einen weiteren Fleck erhalten. Zugegeben, die Leichen waren eine Schande. Wenigstens waren sie bereits tot. 

 Ich gab den Zügeln einen Ruck und bog nach der Tränke in einen Feldweg ein, der direkt an die Küste führte. Der schwierigste Abschnitt lag noch vor mir: Die Fischertreppe mit hundertdreiundvierzig Stufen, die zur Anlegestelle für Duncans Boot führten. 

 Oben an der Treppe hielt ich mit dem Wagen an, verharrte einen Moment und lauschte. Ein leises Schlurfen kam von unten. 

 »Duncan?«, flüsterte ich.

 »Nein, ich bin es«, sagte Nate McCormick, der kurz darauf die letzten Stufen hinauf und in mein Sichtfeld trat. 

 Meine Erleichterung hielt sich in Grenzen. Nates Posten war in Edinburgh und nicht hier in Dundee. Er wartete jeweils am Zielort auf Duncan, nahm ihm die Leiche ab und transportierte sie zu Dr. McDeath. Dass er nun hier auftauchte, war kein gutes Zeichen. Ich sprang vom Wagenbock.

Nate McCormicks zurückhaltendes Grinsen, diese typisch verschwörerische Mimik, die er jedes Mal an den Tag legte, wenn er mich sah, blieb aus. Der düstere Schalk in seinen hellgrauen Augen und seine Grübchen um den Mund waren einem lang gezogenen Gesicht gewichen. 

 »Was ist los?« 

 Nate strich sich mit beiden Händen die schwarzen Haare aus dem Gesicht. Er spähte nach allen Seiten und legte dabei den Zeigefinger auf die Lippen. Auch meine Augen wanderten umher, aber nach wie vor zeigte sich kein Verfolger. 

 Nate wies mich mit Handzeichen an, ihm dabei zu helfen, die Leiche vom Wagen zu heben und ein Stück weit die Stufen hinunterzutragen. Die Treppe wand sich um mehrere große Felsbrocken. Teilweise stolperte ich über die unebenen Steine und streifte mit den Schultern die Felswand.  Nach der zweiten Biegung legten wir die Tote ab und pausierten. 

 »McDeaths Assistent hat mich gewarnt«, flüsterte er. »Der Doktor wird beschattet. Vermutlich von der Stadtwache Edinburghs. Vielleicht aber auch von einem privaten Verfechter der Rechtschaffenheit oder einem Familienangehörigen eines Verstorbenen. Wir müssen im Moment also noch wachsamer sein als sonst.«

 Die Beklemmung in meiner Brust verstärkte sich, und ich erzählte ihm vom Pferdegetrappel, das ich gehört hatte. »Denkst du, man beobachtet die Friedhöfe in der Umgebung ebenfalls?«

 Nate zuckte mit den Schultern. »Möglich.«

 Er führte die Tuchzipfel am Kopfende zueinander, und ich tat das Gleiche am Fußende. Wir hoben die Tote hoch. Nate ging mit seiner Fackel voraus, und wir schleppten sie die restlichen Stufen hinunter. 

 Im schwarzen Wasser saß Duncan im Boot. Eine kleine Laterne stand neben ihm auf der Bank und erhellte die Umgebung nur so viel, dass ich ihn sehen konnte. Er hüstelte. In seiner Linken wog er eine Schnapsflasche hin und her. Seit wir vor fünf Jahren nach Dundee gekommen waren, seine Heimatstadt, trank er jeden Tag eine halbe Flasche Hochprozentiges. Mir war schleierhaft, wie dieser Mann mit fünfzig Lenzen auf dem Buckel überhaupt noch die Kraft aufwenden konnte, morgens aufzustehen. Doch Duncan war wie Unkraut. Zäh und bemüht, auch durch die kleinsten Ritzen eines Gemäuers ins Freie zu stoßen. Es zeugte von einem starken Lebensfeuer, auch wenn seine zerrüttete Seele diese Flammen täglich mit Spiritus zu löschen versuchten. Vergebens hatte ich mich bemüht, herauszufinden, warum er sich das antat. Nur einmal hatte er mir im Rausch und mit glasigen Augen erzählt, dass er als jüngster Kapitän der Seefahrtsgeschichte die Meere der Welt überquert hatte. Warum er als Fischer und Säufer endete, blieb bis heute ein Geheimnis.

 »Elender Mist«, sagte Duncan und richtete sich auf. »Ich will nicht für ein paar zusätzliche Münzen eingelocht werden.«

 Nate und ich balancierten über die Holzüberbrückung und legten die Leiche unter die Kuhle beim Bug. 

 »Fran«, murrte Duncan.

 Ich nickte nur. Was sollte ich auch sagen? Wer im Dreck wühlte, musste damit rechnen, schmutzig zu werden. 

»McDeath wird uns bei der Ablieferung sagen, was zu tun ist«, sagte Nate. »Wir treffen uns morgen Abend in der Taverne, ja?«

 Ich stimmte zu. 

 Duncan wischte sich seine Haarfetzen aus dem vernarbten Gesicht und brummte: »Einverstanden.«

 Ich wollte wieder aus dem Boot steigen, da packte mich Duncan mit seiner Pranke am Handgelenk. »Pass auf dich auf, Fran.«

 Ich legte meine Hand auf seine, bis sich sein Griff lockerte. »Du auch, Duncan.« 

 Wir verharrten eine Weile so. Duncan starrte mich mit seinem bösen Blick an. Mittlerweile wusste ich, dass er so dreinblickte, wenn er sich sorgte. 

 Nate räusperte sich. »Deine väterliche Fürsorge in Ehren, Duncan, aber wir müssen los.«

 Duncan schnitt eine verächtliche Grimasse, kommentierte jedoch nichts mehr. Er ließ mich los, und kaum war ich wieder an Land, riss er das Boot mit den Rudern herum. Meine Komplizen entfernten sich vom Anlegeplatz. Zwei Atemzüge später wurde das Boot von der Schwärze der Nacht verschluckt, und man hörte nur noch das rhythmische Schlagen der Ruder. 

 Zurück bei meinem Wagen blickte ich nochmals auf das rauschende Dunkel unter mir. In meinem Rücken lauerte jemand. Ich zog mein Wolltuch enger um die Schultern und wünschte, ich wäre bereits im warmen Bett. 

 Den ganzen Heimritt über fühlte ich mich beobachtet. Die Angst kroch mir über den Rücken und setzte sich unter meinen Schädelknochen fest, als halte sie mich im eisernen Griff. 

 Ich stellte zunächst den Wagen und das Pferd in die Stallung eines Bauern, der in unsere Machenschaften eingeweiht war, und erreichte Dundee wenig später zu Fuß. 

 Der Morgen graute bereits, doch die Straßen waren noch menschenleer. Hochbauten aus Stein wechselten sich mit hölzernen Behausungen ab, deren Verputz abblätterte. Im grauen Dämmerlicht wirkte Dundees Stadtbild wie ein lange vernachlässigter Garten. Überall umrankten Schlingpflanzen die Gatter und Gittertore, Schilder von Läden und Büros ragten wie Klauen aus dem Gemäuer, und der aufgetürmte Unrat des letzten Tages warf gruselige Schatten, als ob sie jederzeit zum Leben erwachen könnten. Dazu war es so furchtbar still. Bis auf diese Schritte, dessen Ursprung mir verborgen blieb.

 Am Beginn einer engen Gasse fand ich Zuflucht, spähte auf die leere Hauptstraße hinaus und suchte in den Winkeln der anderen abgehenden Gassen nach Bewegungen. Nichts. 

 Ich konnte nicht ewig hier ausharren und rannte über den Kirchplatz, um gleich wieder in eine nächste Gasse zu verschwinden. 

 Mein Herz schlug kräftig gegen meine Rippen. Da war wieder ein Geräusch. Nicht nur Schritte, sondern auch ein Flattern, wie von einem Tuch oder einem Mantel, der sich beim Laufen durch den Gegenwind aufbauschte. 

 Im tiefen Rahmen einer Haustür presste ich mich an das Holz und hielt die Luft an. Das Haus meiner Mietkammer war nur noch zweihundert Fuß entfernt. Nach nichts trachtete ich mehr, als weiter zu rennen, im Eingang zu verschwinden und die Tür hinter mir zu schließen. Doch damit würde ich dem Verfolger verraten, wo ich wohnte.

 In einiger Entfernung trippelte jemand in einen anderen Türrahmen. Im Nebel war es nur ein Schatten, der hinter der Mauer verschwand.

 Wenn mich jemand hier und jetzt umbringen wollte, hätte er mich längst eingeholt und es getan. Vielleicht sollte ich ihm gegenübertreten und ihn stellen. Angriff als Verteidigung. Aber das könnte damit enden, dass ich am Ende tot auf dem Pflaster lag. Verflixt, was sollte ich nur tun?

 Die Spannung erdrückte mich. Die Ungeduld nahm mir die Entscheidung ab und befahl mir, zu fliehen. Ich wollte bis drei zählen, aber schon bei zwei sprintete ich los. Meine Stiefel hallten auf dem Pflaster, und hinter mir hörte ich den Verfolger. Auf halber Strecke schien er aufzuholen. Ich wagte nicht, mich umzudrehen, denn es würde mich nur verlangsamen. Also hastete ich immer weiter, meinen Oberkörper nach vorne geneigt, den Schlüssel zur Haustür in den Händen. 

 Vor dem Eingang zitterte meine Hand so stark, dass ich den Schlüssel nicht in das Schlüsselloch brachte. Nun wagte ich trotzdem einen Blick nach hinten. Eine Gestalt in einem Umhang mit Kapuze hielt auf mich zu. Mit den Fingern beider Hände versuchte ich nochmals, das Schloss zu öffnen. Endlich. Ich drehte den Schlüssel um.

 »Miss«, rief der Mann direkt hinter mir.

 Ich hämmerte im Eifer gegen das Holz. Die Tür ging auf, und ich stolperte im Treppenhaus zu Boden. Auf allen vieren drehte ich mich um, schlug die Tür zu und presste mich mit der Schulter an das Holz. Wo war nun der Schlüssel? Hatte ich ihn im Schloss stecken lassen?

 Von draußen polterte es. Dabei vibrierten die Holzlatten, und mir wurde klar, dass meine Stärke nicht ausreichen würde, falls der Verfolger vorhatte, seinen Körper dagegen zu werfen. 

 Im Treppenhaus war es dunkel. Ich verlagerte das Gewicht, indem ich nicht nur die Schulter, sondern meinen ganzen Rücken gegen die Tür presste. Die Beine winkelte ich an, damit sie mehr Halt fanden, um gegen die Außenwirkung anzustemmen. Etwas klirrte am Boden. Der Schlüssel. Doch kaum hatte ich das kühle Metall erspürt, verlor ich seine Spur.

 »Aufmachen«, sagte der Verfolger. Dann Stille. 

 Zwei Atemzüge später schlug er wieder an die Tür, und es fühlte sich an, als zielte er direkt auf meinen Kopf. 

 Meine Hände suchten hastig unter dem mehrschichtigen Rock, der über dem Boden ausgebreitet war. Der Schlüssel war doch gerade noch hier! 

 »Wenn Sie nicht zur Seite treten, wird es gleich wehtun«, sagte der andere.

 Da war es wieder, das Klirren, irgendwo nahe meiner Füße zwischen meinem Unterrock und dem Steinboden. Ich musste mich nach vorne neigen und den Druck auf die Tür aufgeben, um ihn zu fassen zu kriegen. 

 In diesem Moment öffnete sich die Tür einen Spalt breit, aber sie wurde von meinem Rücken aufgehalten. Eine Hand bekam meinen Ärmel zu fassen. Der Verfolger versuchte, mich an sich zu reißen.

Endlich hielt ich den Schlüssel in der Hand und hangelte mich hoch. Der Verfolger konnte dadurch die Tür weiter aufschieben. Er glaubte vermutlich, ich hätte mich ergeben, und ließ mit der Kraft nach. Kaum auf den Füßen, warf ich mich gegen das Holz, schob den Schlüssel in das Loch und drehte ihn um. 

 Ich keuchte. Meine Hände zitterten, meine Knie waren weich wie Gelee. 

 »Wir kriegen Sie«, sagte der Mann.

 Ich jagte mit je zwei Schritten auf einmal hinauf in den zweiten Stock, trat in die Kammer ein und schlug die Tür zu. Ich hielt die Augen für einen Moment geschlossen, um mich nach dem Schreck zu sammeln. Zumindest war ich für eine Weile in Sicherheit. 

 Ich öffnete die Augen und erwartete, die schlafende Gillian zu sehen, die rotblonden Locken um ihr wächsernes Gesicht drapiert. Doch ein ganz anderer Anblick bot sich mir.

 

2.

Gillian saß auf der Bettkante. Das Licht einer Kerze zuckte an der Decke und warf gesprenkelte Schatten durch die Kammer. Trotzdem wirkte ihr Gesicht weißer als sonst, und ihre Rehaugen starrten nach unten.

 Ich schweifte mit dem Blick umher, und mein Atem stockte. Unsere gemeinsame Kammer sah aus, als wäre ein Riese hereingepoltert und hätte wild um sich geschlagen. Die Schubladen der Kommode waren herausgerissen worden, die Kleider hingen über die Kanten. Vom kleinen Tisch neben dem Fenster tropfte Schreibtinte auf den zerkratzten Dielenboden. Mein Schreibpapier lag am Bettende auf der Decke, die kostbare Schreibtinte vom Laken aufgesogen.

 »Gillian …« Ich setzte mich neben sie und fuhr über ihr Lockenhaar. »Bist du unversehrt? Hat man dir etwas getan?«

 »Ein Mann war hier.« Sie sprach ohne Gefühl in ihrer Stimme. »Er hat erst deine Korrespondenz durchgesehen, und als er nicht gefunden hat, wonach er suchte, hat er den Rest des Durcheinanders angerichtet.« »Hat er Fragen gestellt?«

 »Er hat mich nicht gesehen. Ich kam gerade das Treppenhaus hoch und habe ihn durch die geöffnete Tür beobachtet. Er hat auch die anderen Mietzimmer durchsucht.«

 Ich erhob mich, riss die halb offene Schranktür auf und durchwühlte die Kleider.

 »Es ist noch da«, sagte Gillian.

 Tatsächlich, die Kiste mit meinem Ersparten lag in der hintersten Ecke unter einem Plaid aus schottischer Wolle. Zur weiteren Beruhigung nahm ich die Noten heraus, durchblätterte sie und bündelte sie wieder an ihren angestammten Platz. Das Geld war alles, was ich hatte. Einen großen Teil hatte ich damals in London bei einem Pfandleiher für Silberbesteck und goldene Serviettenringe in Bares umgewandelt. Der Rest stammte aus den Einnahmen der Leichenausgrabungen. Die nahezu dreihundert Pfund waren viel für jemanden wie mich, die nun als Schankfrau arbeitete. Kaum jemand besaß überhaupt Erspartes. 

 Ich erzählte Gillian vom Verfolger, und meine Freundin knetete ihre schmalgliedrigen Finger. »Du musst damit aufhören, Fran.«

 »Ich muss nicht nur damit aufhören. Ich muss verschwinden.«

 Gillian rieb sich die Augen, ging zum Fenster und schob es einen Spalt breit nach oben. Durch ihr Nachthemd zeichneten sich ihre breiten Hüften ab, die ansonsten immer unter den weiten Kleidern verborgen blieben. »Du könntest Reid fragen, ob er dir Unterschlupf gewährt.« Sie meinte damit den Bauern, bei dem ich jeweils die Stute für meine nächtlichen Streifzüge zu den Friedhöfen auslieh.

 »Vermutlich ist auch seine Mithilfe schon entdeckt worden. Nein, ich gehe besser zu Duncan auf das Fischerboot. Da er für den Transport auf dem Wasser zuständig ist und nur im Dunkeln von Dundee nach Edinburgh fährt, kriegt man ihn am wenigsten zu Gesicht. Und ich muss die Angelegenheit mit Dempster sofort erledigen. Ich muss …« 

 Es graute mir davor, meinen Plan in aller Eile umzusetzen. Ich würde den Eintritt in die Society of Free Merchandisers und die Leihe der Angélique innerhalb weniger Tage bewerkstelligen müssen. Doch die formellen Schritte erforderten Zeit und meinerseits Geduld. Ich hatte von beidem nur wenig.

 Gillian drehte sich zu mir um, und ihre weichen Gesichtszüge spannten sich so an, dass sie auf einmal nicht mehr aussah wie eine edle Frau, an die sich mich immer erinnerte. 

 »Scheitere nicht an deinem Willen, Fran.«

 »Was meinst du damit?«

 »Du neigst dazu, zu viel zu erwarten. Du denkst immer noch wie eine Dame aus gutem Haus, die alle Privilegien für die Ewigkeit gepachtet hat.«

 Für einen kurzen Moment erinnerte sie mich an Rica, obwohl meine Schwester aus ganz anderen Gründen zur Vernunft tendierte. Sie ging in ihrer neuen Rolle als Hausherrin und Ehefrau vermutlich wie ein Stern am Himmel auf. Für Gillian hingegen war die Welt ein düsterer Ort, wo jeder zu seinem Schicksal verdammt war. Dabei war das Leben doch ein Geschenk voller Möglichkeiten. 

 »Früher«, fügte sie nach meinem Schweigen hinzu, »als du vor fünf Jahren aufgetaucht bist, warst du noch naiv und voller süßer Hirngespinste. Und nun …«

»Nun bin ich einfach nur verrückt?«

 Gillian rümpfte die Nase. »Oh nein, einem Verrückten würde ich seine Flausen nicht ausreden wollen. Du bist einfach nur eigenwillig.«

 »Und das behagt dir nicht.« 

 »Doch, das tut es. Aber ich kann dir offenbar nicht beibringen, wie sinnlos dein Wollen ist. Du kämpfst gegen Windmühlen.«

 »Und was ist mir dir?«, frage ich spitz. »Wann wirst du endlich einsehen, dass du hier gefangen bist? Angekettet an einen kranken Vater, der dir nicht ein einziges Mal Dankbarkeit zeigt.«

 Als hätte er es gehört, krächzte Gillians Vater aus dem Nachbarhaus nach ihr. 

 Sie schloss das Fenster. »Wenn er nicht krank wäre …«

 »Die Krankheit entschuldigt nicht seine Bösartigkeit.«

 Auf Gillians Gesicht zeigte sich ein Schatten. »Ich habe mir diese Mühsal nicht ausgesucht.«

 »Und ob du das hast. Und wäre dein Trunkenbold von Ehemann nicht eines Tages fortgegangen, würdest du dich jetzt nicht nur um deinen bettlägerigen Vater kümmern, sondern auch noch um einen betrunkenen Gatten. Nur nicht um dich selbst.« 

 »Du bist zu jung, um das zu verstehen«, sagte Gillian, die mit neunundzwanzig nur fünf Jahre älter war als ich. Aber sie tat das oft. Sprach von mir, als wäre ich ein ahnungsloses Geschöpf. Doch damit versuchte sie nur, ihre Fügsamkeit gegenüber ihrem Vater zu rechtfertigen. Das brachte mich in Rage. Schon nur deshalb, weil Gillian mitnichten eine Frau war, derer es an Durchsetzungskraft mangelte. In der Taverne bewies sie tagtäglich, dass sie Unflätige mit einer gewissen Dominanz zurechtweisen und Trunkenbolde energisch im Zaum halten konnte. Nur wenn es um ihren Vater ging, verhielt sie sich wie ein abgerichtetes Hündchen.

 Meine Freundin, die offenbar keine Lust mehr auf eine Auseinandersetzung hatte, legte sich ins Bett und zog die Decke über sich. Mit geschlossenen Augen atmete sie schwer aus. Ihre rötlichen Locken lagen wie ein Fächer um ihren Kopf drapiert. Wäre ich ein Mann gewesen, hätte ich sie sogleich leidenschaftlich geküsst. Wie hatte ihr Ehemann nur eine Frau wie sie verlassen können? In meinen Augen war sie eine perfekte Mischung. Die stämmigen Beine und das gebärfreudige Becken verband ich mit ihrer Bodenständigkeit, und die zierlichen Schultern und das göttliche Gesicht mit einer Einladung zum Anhimmeln.

 Auch ich wollte an diesem nervenaufreibenden Tag kein Salz mehr in die Wunden streuen. Ich streifte den Mantel ab, ließ ihn auf eine der herausgerissenen Schubladen gleiten und legte mich neben sie. Gillian zog die Decke über mich und drehte sich so, dass unsere Gesichter dicht beieinander waren. »Wollen wir ein Lied summen?«

 Ich kramte eine Weile im Fundus meiner Lieblingslieder. »Ich wünsche mir diesmal Ae Fond Kiss.«

 »Das ist aber traurig.«

 »Ich weiß.«

 Wir drehten uns auf den Rücken, schlossen die Augen und ergaben uns der Melodie Ae Fond Kiss von Robert Burns, dem Dichter, der dieses Lied vor gut zehn Jahren für seine Geliebte Nancy geschrieben hatte. Es war eines jener Lieder, die mich in Trauer noch trauriger machten und im Glück noch glücklicher.

Dabei dachte jede an ihre Wünsche und Träume. Ich summte nur, weil ich keine begnadete Sängerin war, während Gillian mit ihrer Goldkehle die Strophen sang. In den hohen Tonlagen schmiegte sich ihre Klangfarbe wie eine Liebkosung in mein Ohr, und die tieferen Töne spürte ich bis hinunter in meinen Bauch. Sie breiteten sich dort wellenförmig aus, und das Gesamtwerk ihrer Stimme gab mir das Gefühl, unter einer warmen Glocke zu liegen, in welcher die Welt frei von Unstimmigkeiten war. 

 Ich sah vor mir die Angélique, das Meer und wie immer das Abenteuer, das irgendwo da draußen auf mich wartete. Doch trotz des wärmenden Gesangs mischten sich auf einmal Misstöne in meine sonst so von Freude gezeichneten Pläne. Mut suchte ich in meinem Inneren vergebens. Ich irrte durch meine widersprüchlichen Gefühle von Furcht, Ungeduld und Vorfreude.

 Bei der letzten Strophe erst konnte ich diese Gefühle wieder abstreifen. Wie einen beengenden Mantel ließ ich sie zu Boden gleiten und nahm die Harmonie von Gillians Stimme wieder auf. Kurz danach sah ich plötzlich ein Gesicht vor mir, das sich mir schon lange nicht mehr so deutlich gezeigt hatte: ein blonder Junge von sechzehn Jahren mit dunkelblauen Augen, schmutzigen Wangen und einem verschmitzten Lächeln. Henry. 

 Ich lag in Gedanken wieder mit ihm in Duncans Boot, das uns vor gut fünf Jahren nach Schottland gebracht hatte. Wir spähten in den Sternenhimmel und malten uns aus, wie unser Leben in Freiheit sein würde. Dieser Moment war so schön und unschuldig gewesen, so voller Zuversicht.

 Wie gut das Lied zu uns passte. Ae Fond Kiss war ein Liebeslied, doch konnten die Worte auch für eine Freundschaft gelten. Und ich stellte mir vor, wie Henry dieses Abschiedslied für mich hätte singen können, nachdem er klangheimlich verschwunden war.  

 Wo mochte der Junge jetzt sein? Die Wut über seinen Abgang war längst verraucht. Aber die Enttäuschung, dass er sich nicht einmal von mir verabschiedet hatte, nagte immer noch an mir. Vermutlich hatte er seine Gründe gehabt. Ich hoffte nur, es ging ihm gut. 

 Am nächsten Morgen betrat ich die Wirtsstube durch den Zwischeneingang vom Treppenhaus aus und vermied es, das Haus zu verlassen. Es war unausweichlich, mit Bruce sofort ein ernstes Wort zu reden. Der Verfolger von gestern würde sich bald in der Taverne blicken lassen und sich über mich erkundigen. Oder mich gar entdecken.

 Während Gillian auf dem Markt Fisch und Gemüse einkaufte, setzte ich mich mit Bruce in die Vorratskammer, die gleichsam sein Abrechnungszimmer war. Eine Kerze spendete etwas Licht, und Bruce neigte sich vor, als ob ihm der kleine, abgewetzte Tisch nicht schon genug Nähe zu mir garantierte. Er kratzte sich eine seiner Blutkrusten am Unterarm auf, deren Ursache Gillian und mir schon immer ein Rätsel gewesen war. Wir vermuteten, dass er sich die gleichen Wunden immer wieder aufkratzte, um seinem Ärger Luft zu machen oder seine Unsicherheit zu verbergen. Mich ekelte es. Häufig fingerte er mit den Blutresten unter den Fingernägeln in der Küche herum.

 »Du kannst nicht einfach gehen«, sagte er und strich sich die vor Fett triefenden Haarsträhnen aus dem käsigen Gesicht. »Wo soll ich denn eine Neue auftreiben?«

»Du wirst bestimmt einen guten Ersatz für mich finden. Lizzie, die Tochter des Bäckers, zum Beispiel. Sie sucht schon lange einen Zuverdienst.«

 »Dieses scheue Ding? Das ist kein Ersatz für dich«, sagte er und starrte auf mein Dekolleté, das ihm keinen Einblick auf ein Stück Haut gab.

 »Aber das ist noch nicht alles«, sagte ich. »Ich möchte dich um Verschwiegenheit bitten.«

 Bruce löste seinen Blick endlich von meinem Busen und rümpfte die Nase. »Was soll denn das nun wieder heißen?«

 »Ich werde gesucht. Ich habe eine Dummheit begangen, und bald wird hier jemand auftauchen und nach mir fragen.«

 »Und da willst du, dass ich dichthalte? Das wird ja immer besser.« Er glättete erneut seine ohnehin spärlich vorhandenen Haare und schnalzte mit der Zunge. »Was hast du ausgefressen? Gestohlen, gehurt?« 

 Er lächelte dabei sogar ein wenig, und ich wich instinktiv zurück, bis mein Rücken an die Stuhllehne gedrückt wurde. »Was denkst du auch von mir? Nichts dergleichen. Ich sage dir besser nicht, worum es geht. So musst du weniger lügen. Wenn jemand fragt, sag einfach, du hättest noch nie von mir gehört.«

 Bruce stand auf, schnappte sich von einem Regal einen Portwein und schenkte uns diesen in zwei zinnerne Becher. »Gut, dann trinken wir einen darauf«, sagte er. Er hob das Getränk und leckte sich über die wulstige Unterlippe.

 Ich stieß mit ihm an, wähnte mich aber nicht gerade in Erleichterung. Schon deshalb nicht, weil er während des Trinkens grinste. 

 »Komm, setz dich einmal zu mir.« Er klopfte auf seinen Oberschenkel. »Wenn ich dich decken soll, wünsche ich eine Gegenleistung.«

 »Hüte dich, von mir so etwas derartig Widerliches zu verlangen.« Ich knallte den Becher auf den Tisch. 

 »Hast du eine Wahl?« Sein Grinsen wurde breiter, und er begann, den Knoten der Kordel an seiner Hose zu öffnen. 

 Ich war darauf und daran, die Flucht zu ergreifen. Aber ich konnte die Taverne erst bei Dunkelheit verlassen. Außerdem würde Bruce meinem Verfolger alles erzählen, was dieser hören wollte. Auch meinen Namen. Bislang wusste der Unbekannte nur, wo ich wohnte. Mein Name war nirgends ausgehangen. 

 »Nein, vermutlich habe ich diesmal keine Wahl«, sagte ich, erhob mich zögerlich und setzte mich auf Bruces Schoß. 

 Seine schwieligen Hände legten sich auf meine Taille, und in seinem Gesicht konnte ich Überraschung erkennen. Wie er mich wohl kannte, hatte er nicht damit gerechnet, dass ich so schnell klein beigeben würde. 

 »Wo sollen wir es hinter uns bringen? Hier auf dem winzigen Tisch?«

 Bruce fuhr sich über die Lippen, und die kleinen, roten Bläschen auf seiner Zunge ließen mich schaudern. Er kam näher, und sein Gesicht nistete sich in meiner Halsbeuge ein. Er schnupperte an mir wie ein Hund und biss mich neckisch in das Ohrläppchen. Sein Atem, wie von verfaulten Eiern, drang in meine Nase, und ich widerstand dem Impuls, aufzustehen und ihn fortzustoßen. 

 »Ich will deine Brüste sehen«, sagte er. »Mach dich oben frei.«

Ich stand auf, löste das samtene Band, das den oberen Rand des Dekolletés zusammenhielt,  und ließ das Oberteil bis auf meine Hüften fallen.

 Bruces Mund stand offen. Für einen Moment starrte er einfach nur, vermutlich erschrocken über sein plötzliches Glück. Dann überfiel ihn der Übereifer. Er riss sich die bereits geöffnete Kordel aus den Laschen, schob seine Hose hinunter, als ob es um sein Leben ginge, und humpelte zu mir. Mit ausgestreckten Armen griffen seine Hände an meine Brüste. Die Schwielen fühlten sich an wie Jutesäcke.

 Als Bruce vor Entzückung für einen Moment die Augen schloss, hob ich mein Bein, zog aus der Stiefelette mein Messer hervor und hielt es ihm an die Kehle. 

 Bruce blinzelte verwirrt. »Frances …« Er stolperte rückwärts und wollte sich die Hose wieder heraufziehen, aber ich schloss zu ihm auf und berührte mit der Messerspitze seinen Hals. 

 »Ich habe schon einmal aus Notwehr jemanden damit erstochen«, sagte ich, »und ich würde es wieder tun, wenn mir nichts anderes übrig bliebe. Du hast recht, manchmal hat man keine Wahl.«

 Er hob die Hände. »Ist ja schon gut. Beruhige dich, du … du Hure.«

 »Du wirst mir jetzt versprechen, meinen Namen nie mehr auszusprechen. Verstanden?«

 Bruce verharrte in seiner Position, aber seine Gesichtszüge entspannten sich wieder. »Ich lasse ab von dir, ja. Aber du kannst mich nicht zwingen zu schweigen.« Ein hämisches Grinsen breitete sich um seinen Mund aus.

 »Und ob ich dich zwingen kann. Oder möchtest du, dass dein Pächter dein Geheimnis um die Gewinnanteile herausfindet?«

 Bruces Geschäft war letzten Sommer an einen Tiefpunkt gekommen. Der Pächter hatte ihm eine Reduktion des Mietzinses gewährt, jedoch mit der Auflage, dass Bruce ihm, sobald sich die Taverne wieder erholt haben würde, für ein Jahr lang einen Viertel seines Gewinns abgeben musste. Dies wusste ich nur deshalb, weil ich die beiden zufällig nach Ladenschluss belauscht hatte. Der Taverne ging es längst wieder gut. Aber Bruce fälschte die Abrechnungsbücher.

 »Ist ja gut«, sagte Bruce endlich. 

 Ich senkte das Messer, und der Wirt zog sich mit erkalteter Miene die Hosen hoch. »Du wirst heute den Küchendienst ein letztes Mal übernehmen.«

 »Zu deinen Diensten«, sagte ich und ging zufrieden aus der Vorratskammer hinaus. 

 Während des Tages und auch noch bis in den Abend hinein schleppte ich Kisten, briet Würste und reinigte Gläser und Teller. An den Rinderkuchen verbrannte ich mir zweimal die Finger, weil ich damit beschäftigt war, immer wieder einen Blick auf die Gäste zu werfen.

 Gillian stellte mir ein Dutzend Becher, Teller und Gläser in den Waschzuber und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich kann immer noch nicht fassen, was du mit Bruce gemacht hast.« Ihr Mund spitzte sich zu einem unterdrückten Lächeln. 

 Ich wollte gerade kichern, da trat ein Mann in die Gaststube. »Das ist er«, sagte ich, und Gillian folgte meinem Blick.

»Ich behalte ihn im Auge«, sagte sie und verschwand nach vorne.

 Ich achtete fortan darauf, nicht in sein Blickfeld zu geraten und die Verbindungstür zwischen Küche und Tresen immer nur einen Spalt offenzulassen.

 Er hatte sich an einen Tisch in der Ecke gesetzt und bestellte hin und wieder ein Bier. Als der Abend anbrach, sah ich, wie er Gillian etwas fragte, und sie winkte Bruce heran, der an einem der Tische mit Bekannten einen hob. 

 Ich streckte meinen Kopf nur so weit heraus, dass ich überhaupt etwas sehen konnte. 

 Bruce setzte sich zum Gast und wurde, wie erwartet, ausgehorcht. Trotz meiner Drohung hatte ich Angst, Bruce würde mich verraten. Aus ihrer Gestik konnte ich nicht herauslesen, was sie besprachen. Ich warf einen Blick auf die Hintertür, die in den Hof hinausführte, und beobachtete dann weiterhin, wie die Männer miteinander sprachen.

 Gillian servierte dem Fremden ein frisches Bier und bedachte Bruce mit einem warnenden Blick. Meine Handflächen wurden immer feuchter. Bruce stand wieder auf und setzte eine grimmige Miene auf. Der Fremde zahlte daraufhin und verließ die Taverne. 

 Ich atmete erleichtert aus und widmete mich wieder dem Kessel, wo Nellys best soap das Wasser in eine schmierige Brühe verwandelt hatte.  

 »Duncan und Nate sind aufgetaucht«, flüsterte mir Gillian später zu. »Sie sagen, ein Mann stehe auf der Straßenseite gegenüber und beobachte das Haus. Bestimmt der Mann von vorhin.«

 Es wäre zu leicht gewesen, wenn er einfach aufgegeben hätte.

 »Sie sagen, wir sollen sie später im New Inn treffen.«

 Ich nickte und wischte die Oberflächen fertig. Das letzte Mal. Gillian hatte mein weniges Hab und Gut bereits eingepackt. Nach den letzten Erledigungen schlossen wir die Taverne ab und verschwanden über die Hofseite nach draußen. Wir nahmen einen umständlichen Weg zum New Inn, der uns durch Gärten, Hinterhöfe und schmale Gassen führte.

 Duncan und Nate erwarteten uns in der anderen Taverne, die ebenfalls bald schließen würde. Dennoch war die Spelunke noch zum Bersten gefüllt.  Ein Gemisch aus Hitze, Schweiß und Rauch füllte meine Nase. Neben dem Tresen spielten zwei Fiedler ein Volkslied, und ein dritter schlug mit einem kleinen Holzstück den Rhythmus auf einer Bodrhán, was mich vermuten ließ, dass das Trio irischer Herkunft war. Die Zuschauer klatschten im Takt mit. Manche klopften mit ihren flachen Händen auf die Tischplatten. Die Freude in den Gesichtern der Gäste schwappte auf mich über, denn diese Lieder ergriffen mich weit mehr als die sanften Klänge der klassischen Musik, die in den Salons der noblen Gesellschaften gespielt wurde. Auch Gillians Augen begannen zu leuchten, und ihre Fersen hoben sich auf und ab, als würde sie sich bald nicht mehr halten können. 

 In einem der zwei Erker entdeckten wir Duncan und Nate. Der Fischer sah wie immer zum Fürchten aus. Die dunklen, leicht gelockten Strähnen waren fettig und hingen ihm in das narbige Gesicht, als wollte er damit seine Augen verdecken. Nate hingegen blickte aufmerksam umher und winkte uns zu. Wir zwängten uns durch die Leute hindurch. In der Ecke war es ein wenig leiser, so dass man sich sogar unterhalten konnte. Die zwei begrüßten uns mit einem Nicken und bestellten für uns Frauen ein Ale.

 »Hast du etwas über den Verfolger herausgefunden?«, fragte ich Nate, obwohl mir in dieser heiteren Stimmung überhaupt nicht mehr danach war, über unsere Sorgen zu sprechen.

 Sein zartes Jungengesicht mit dem tiefen Blick zeigte keine Regung. »Fest steht nur, dass Dr. McDeath alle Obduktionen eingestellt hat, und wir keine Geschäfte mehr mit ihm tätigen werden.«

 »So viel ist mir auch schon klar«, sagte ich. »Vermutet er, wer der Verfolger ist?«

 »McDeath ist sich sicher, es sind Privatleute, die nach uns Ausschau halten.«

 »Ausschau halten?«, sagte Gillian. »Dieser Jemand ist bei uns eingebrochen.«

 Wir blickten alle auf die Tischplatte, und genau in diesem Moment verhallte der letzte Klang des Musikertrios. Ein lautes Gemurmel blieb übrig, und das Unheil schien spürbar über unseren Köpfen zu schweben.  

 Ich neigte mich vor. »Ich muss den Beitritt für die Society of Free Merchandisers jetzt in die Wege leiten, damit ich den Vertrag für die Angélique sichern kann.«

  Bei der Society of Free Merchandisers  ging es nicht um den Erwerb von Schiffen. Das hätte ich mir niemals leisten können. Ein Schiff kostete so viel, dass ich alle Toten Schottlands aus ihren Gräbern hätte heben müssen, um genügend Geld dafür zu scheffeln. Dempster schuf die außerordentliche Möglichkeit, Schiffe zu mieten. Die Society of Free Merchandisers war von ihm vor ein paar Jahren gegründet geworden. Man bezahlte einen Betrag für die Mitgliedschaft und erkaufte sich damit die Berechtigung, alte Schiffe für ihre ein oder zwei letzten Fahrten gegen ein erschwingliches Entgelt auszuleihen. 

 Für mich war das die einzige Gelegenheit, die ich jemals würde ergreifen können, auch wenn ich die Voraussetzungen dafür nicht sonderlich gut erfüllte. 

 Nate wollte gerade etwas sagen, aber Gillian hob die Hand. »Ist es nicht gefährlich, jetzt mit wohlhabenden und einflussreichen Leuten ein Geschäft abzuschließen, wo du gesucht wirst? Was, wenn der Verfolger ein Gesetzeshüter ist oder im Auftrag eines Adligen nach dir sucht? Womöglich wirst du beim Handel für das Schiff noch gestellt.«

 Ich griff nach ihrer Hand. »Meinen Namen kennt niemand. Und ich glaube nicht, dass unser Verfolger bereits ein Porträt von mir hat anfertigen lassen.« Ich wandte mich an Duncan und Nate. »Wenn wir jetzt rasch verschwinden, können wir den Verfolger in den Wind schlagen. Niemand wird jemals wissen, wer wir sind und was wir getan haben.«

 Duncan rieb sich die rotgeäderte Nase. »Mich hat bislang noch niemand beobachtet, und ich will es auch nicht dazu kommen lassen.«

 »Mich auch nicht«, sagte Nate. »Die Chancen stehen gut, sofern wir uns beeilen.«

 »Aber du hast nicht genügend Geld«, beharrte Gillian. »Zumindest nicht für die Angélique und deren Unterhalt und die Bezahlung einer Besatzung.«

Ich lehnte mich im Stuhl nach hinten und verschränkte die Arme. Mein Stolz gab es nicht gerne zu, dass meine Pläne nicht nur durchkreuzt, sondern geradezu zerschnitten worden waren. »Ich werde einen Kredit aushandeln müssen.«

 »Über Dempsters Bank?«, fragte Nate. Dempster war einer der einflussreichsten Männer in Dundee und Gründer der Dundee Banking Company.

 »Nein, eine Ratenzahlung mit Zinsen, direkt bei Mr Dempster.«

 Drei Augenpaare sahen mich ungläubig an. 

 »Lasst es mich einfach versuchen. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich kann nur scheitern. Sterben werde ich nicht, wenn es nicht funktioniert.«

 »Warum gerade jetzt?«, fragte Nate. »Bringe dich zunächst in Sicherheit, halte dich versteckt, verdiene anderswo etwas Geld und schaue dich nach einem anderen Schiff um.«

 Ich schüttelte entschieden den Kopf. »Kaum ein anderer wohlhabender Geschäftsmann gibt Schiffe zur Miete frei. Davon habe ich noch nie gehört.«

 Alle nickten. Außer Gillian. Sie sah mich mit Stirnrunzeln im Gesicht an. »Darf ich dich außerdem daran erinnern, dass du Dempster im Glauben gelassen hast, du wärst ein Mann?«

 Dies wusste nicht einmal Duncan, und die Männer hoben ihre Brauen.

 »Fran war nicht ganz ehrlich«, erklärte Gillian. »Sie hat stets mit F. Weston unterschrieben.«

 Die Männer reagierten mit erschrockenen Gesichtern. 

 Nate kannte mich kaum. Daher stellte er auch die Frage, die jeder geistesgegenwärtige Mensch stellen würde. »Warum überhaupt ein Schiff? Ich habe noch nie gehört, dass eine Frau ein Schiff befehligt. Du könntest mit deinem Ersparten auch einen Laden eröffnen.«

 Duncan lächelte schief, und Gillian kicherte. Nate verstand nicht. Aber er wusste auch nichts von der Karte. Ihm davon zu erzählen, wäre heikel. 

 Konnte ich ihm trauen? Ich kannte ihn zwei Jahre, hatte ihn aber nur hin und wieder getroffen, um das Geschäft mit Dr. McDeath zu besprechen. Nate war schwer durchschaubar. In seiner Zurückhaltung glaubte ich etwas Mysteriöses zu erkennen. Bestimmt wirkte er auf manche schüchtern, auf andere wiederum überheblich. Entweder verbargen sich hinter dieser Fassade ungeahnte Tiefen und ein brillanter Geist, oder aber der Schein trog, und Nate war nur ein junger Mann, der mit Worten geizte. 

 Gillian bezeichnete ihn als betörenden Eroberer. Er würde Frauen bestimmt in seine Arme locken, indem er es für selbstverständlich hielt, dass man ihn begehrte. Das nicht Drängen und nicht Wollen, so meinte sie, würde scharenweise Damen in seinen Dunstkreis ziehen. 

 Mit Sicherheit war er ein Ganove. Allerdings war er, Duncans Berichten zufolge, nur in Angelegenheiten verwickelt, die niemandem persönlich schadeten. »Er ist ein Spieler«, hatte Duncan es einmal zusammengefasst, als ich ihn an einem Sonntag auf seinem Fischerboot begleitet hatte. »Ein gewitzter Bursche, der weiß, was er will. Aber anständig.«

 Ich beobachtete Nate und beschloss, ihn einzuweihen. Deshalb, weil ich hoffte, dass er sich meiner Mission anschließen würde. Ein heller Kopf mehr könnte mir einige Vorteile bringen.

 »Warum also das Schiff?«, fragte Nate mich erneut.

Ich nickte Duncan zu, und der Fischer holte aus seiner Hosentasche ein Papier hervor. Es war das Bankpapier, das mein Vater einst in einem Tauschgeschäft erworben hatte. Es ebnete dem Besitzer vermeintlich den Weg zu einem Konto in der Londoner Barings Bank, das noch für weitere fünfzehn Jahre gesperrt bleiben sollte. Die meisten, die davon wussten, nahmen an, es handelte sich um schmutziges Geld, das aus Diskretionsgründen zunächst etwas vor sich hin rotten musste. So hatte es mir Mr Baxter, der ehemalige Besitzer des Papiers, zumindest erzählt. 

 Das Verblüffende war nur: Das Konto existierte nicht.

 Nate beugte sich über das Papier und las es durch. »Das Konto läuft nicht auf deinen Namen. Was willst du damit?«

 Ich nickte und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Schau dir nur die Zahlen an, die du auf dem Blatt finden kannst. Achte nicht auf den Text, nur auf die Zahlen.«

 Nate rümpfte die Nase. »Ich kann nichts erkennen. Ein paar Daten sind vermerkt, Angaben über Zinsen und der Zeitpunkt der erstmöglichen Auszahlung. Was soll daran besonders sein?«

 »Zunächst stimmt die Summe am Ende der aufgelisteten Buchhaltung nicht«, sagte ich. »Aber das ist noch längst nicht alles.«

 Duncan drehte nun das Papier um, und ich beobachtete Nates Reaktion, als hätte ich gerade einen Zaubertrick vorgeführt. Auf der Rückseite des Papiers hatte ich alle vier Zahlengruppen herausgeschrieben, wobei ich je zwei Gruppierungen hintereinander gesetzt hatte. So blieben je zwei Zahlengruppen auf einer Zeile.

 Nate horchte auf. »Seltsam, dass alle Zahlengruppen die exakt gleiche Anzahl an Ziffern, also sechs Ziffern, haben. Was hat das zu bedeuten?«

 Duncan und ich grinsten verschwörerisch. 

 Ich neigte mich vor und flüsterte Nate zu: »Es sind Koordinaten.« Ich freute mich jedes Mal wieder, wenn ich daran dachte oder darüber sprach.

 Duncan zückte eine von Hand gezeichnete Karte hervor, auf welcher ein Punkt im Indischen Ozean eingezeichnet war. 

 Nate griff danach. »Oh …«, sagte er nur und starrte darauf. Die Mühlräder in seinem hübschen Kopf kamen in Gang. Es gab mir ein wohliges Gefühl, als seine Augen sich weiteten. »Du meinst also, das Bankpapier ist nur eine Tarnung und beinhaltet in Wirklichkeit Koordinaten, die zu einem Ort im Meer führen? Ins Nichts. – Wo sich allerdings etwas befinden könnte, was von Wert ist.«

 Ich nickte eifrig, und meine Wangen glühten, wie immer, wenn ich daran dachte, dass da draußen der Reichtum auf uns wartete. Keine dürftige Kammer mehr zum Nächtigen, keine wüsten Gesellen, die mir in der Taverne an den Rock griffen. Keine Arbeit mehr, die alle Zeit auffraß wie ein gieriges Tier. Der Punkt im Meer war das Versprechen für eine Ära des Wohlstands. 

 »Ein Schatz wartet auf mich«, sagte ich. »Nein, auf uns! – Wenn ihr alle mit dabei seid.«

 Duncan grunzte, leerte seinen dritten Becher Ale und lachte. Das tat er immer, wenn es um den Schatz ging. Ob er wirklich daran glaubte, wusste ich nicht. Er hielt mich für verrückt, schon seit er Henry und mich vor fünf Jahren nach Dundee gebracht hatte. Doch das hielt ihn nicht davon ab, mir auf meinem Weg zu folgen.

 Nate bestellte einen Branntwein, kippte ihn in einem Zug herunter und blähte die Wangen. »Meinst du, es ist Gold? So etwas wie ein versteckter Piratenschatz, den jemand dort vor hundert Jahren in Sicherheit gebracht hat?«

 Zunächst dachte ich, er wolle sich über mich lustig machen. Aber in seinem aufgeweckten Blick erkannte ich die Neugierde. 

 »Piraten oder nicht«, sagte ich, »auf jeden Fall wird es unser Leben bereichern. Nicht umsonst sind deswegen schon Köpfe gerollt.« 

 Ich verschwieg, dass es sich dabei um meinen eigenen Vater handelte, den mein Onkel wegen dieses Papiers hatte umbringen lassen. Dahinter steckte zwar eher eine persönliche Fehde als der Schatz selbst. Aber sie hätten es nicht zum Gegenstand ihres persönlichen Krieges gemacht, wenn es nicht um etwas Wertvolles gegangen wäre. 

 »Trotzdem könntest du noch weiter sparen, damit du mit der Angélique auf See zum Schatz gelangen kannst«, sagte Nate. 

 »Aber Dempster will die Angélique noch dieses Jahr loswerden, wurde mir von einem seiner Buchhalter mitgeteilt. Sie ist das am günstigsten zu mietende Schiff. Zum weiteren Sparen reicht die Zeit nicht. Vor allem nicht ohne die Leichenausgrabungen. Aber diese Quelle ist ja nun versiegt. Es ist höchste Zeit aufzubrechen.«

 »Ich beteilige mich«, sagte Nate.  »… sofern etwas für mich herausspringt.«

 Ich hielt ihm meine Hand hin, und er schlug ein. 

 »Gut, dann wären wir schon zu dritt«, sagte ich und blickte zu Duncan, der nur nickte. 

 »Ach Fran …«, seufzte Gillian, »willst du das wirklich riskieren?«

 »Bitte, komm du auch mit.«

 Gillian presste ihre Hände an ihren Becher. »Mein Vater …« Sie brach ab, weil ich ihr einen grimmigen Blick zuwarf. Ich mochte es nicht, wenn sie ihren Vater erwähnte, diesen griesgrämigen und undankbaren Gesellen. 

 »Jeder von uns bekommt einen Anteil am Schatz. Du könntest dir und deinem Vater damit ein Haus kaufen.«

 Jetzt lachte Gillian. »Denkst du wirklich, ich bin unglücklich darüber, dass wir in verschiedenen Häusern leben?«

 »Dann kaufe ein Haus für dich allein«, sagte ich. »Bitte, überlege es dir. Ich wüsste nicht, wie ich es ohne dich aushalten würde.«

 Sie tätschelte mir die Hand. »Du sagst ja selbst, du wärst nicht ewig weg. – Ich gehe jetzt schlafen.«

 Sie küsste mir den Scheitel und verließ als Erste das New Inn. 

 Dundee war menschenleer. Das dachten wir zumindest. Doch kaum traten wir zu dritt in die High Street ein, tauchte ein Mann mit einer Kapuze auf. Es war zu düster, um zu erkennen, ob es sich tatsächlich um unseren Verfolger handelte. Er hielt Abstand, und jedes Mal, wenn wir nach ein paar Schritten wieder nach hinten sahen, verharrte er und starrte zu uns herüber. 

 »Ich erledige das«, sagte Nate. »Ich stelle ihm nach und vertreibe ihn, wenn nötig.«

»Was willst du tun?«, fragte Duncan, der neben mir schwankte.

 »Ihm Beine machen«, sagte Nate und schnappte sich Duncans Mütze, die er sich tief ins Gesicht zog, und entfernte sich von uns. Duncan und ich blickten ihm nach, wie er sich dem anderen näherte.

 Der Herumstreuner blieb erst stehen, ging dann ein paar Schritte rückwärts und verschwand schließlich in einer Gasse. Nate ging ihm nach und verschwand ebenfalls hinter einer Hausmauer. 

 Duncan und ich machten uns Richtung Hafen auf. Der Fischer trottete schnaufend neben mir über den Pflastersteinen her, und mir wurde schwindlig, weil ich immerzu nach allen Richtungen blickte und hoffte, dass Nate den Unbekannten von mir fernhalten konnte. 

 »Ich muss es einfach schaffen«, sagte ich, als wir in die Nähe von Duncans Fischerboot kamen.

 Duncan grunzte und hob als Zustimmung nur seine Mütze. 

 »Dempster wird doch froh um eine verfrühte Leihe sein, nicht? Du hast selbst gesagt, der Zweimaster würde nicht mehr lange seetüchtig sein.«

 Duncan nickte langsam, sagte aber nichts. 

 »Ich meine, du hast sie gesehen, Duncan. Du hast gesagt, die Angélique sei eine –«

 »Eine alte Saukröte.«

 »Genau. Eine alte Saukröte.« 

 »Jawoll«, rief Duncan, hob die Faust in die Luft, rülpste und spuckte  Schleim auf den Boden. 

 Tief in mir drin bohrte sich ein derart heftiger Zweifel durch die Eingeweide, dass ich fürchtete, er würde mich entzweien. Aber ich stieß ihn zurück. Ich musste furchtlos voranschreiten. Es durfte nicht sein, dass all meine Ziele und Ambitionen durch Feigheit im Sand verliefen. 

 Mein Wille verbrannte die Furcht im Nacken. Der Rauch davon ließ sich jedoch nicht einfach ignorieren. Ich konzentrierte mich auf die darüber liegende Klarheit, auf meinen Glauben daran, alles wäre möglich. Dieser Glaube hatte mir geholfen, aus Onkel Percivals Klauen zu fliehen. Also würde er mir auch helfen, diesen Schatz zu ergattern.

 Mitten in der Nacht erwachte ich in der Koje, und es roch nach Duncans Ausdünstungen. Meine Kleider waren in Schweiß gebadet. Mein Herz klopfte. In meine Träume hatte sich meine schlimmste Befürchtung geschlichen, dass ich noch vor dem Eintreffen bei Dempster von Dundees Stadtwache ergriffen und zu einem Geständnis wegen der Leichen genötigt wurde. Ich wollte mich herausreden. Da hielten sie mir Gillians abgehackte Hand hin und drohten, ihr den Kopf zu spalten, falls ich meine Tat nicht endlich zugeben würde. 

 Ich wickelte mich wieder in die Wolldecke ein und drückte die Augen zu. Doch der Schlaf wollte mich nicht mehr holen. Der Rauch des Zweifels wurde wieder zur Glut, und bald züngelten die ersten Flammen empor.

 

 

So ihr lieben das waren die beiden ersten Kapitel aus dem 2 Band der Weston Saga "Das Flüstern des Goldes ". Ich hoffe ich konnte euch ein wenig neugierig machen, und euch für das Buch begeistern. Solltest ihr Fragen, Anregungen oder der gleichen haben, dann nur Mut und schreibt mich an. 

Natürlich gilt das auch für die Gewinn Frage. Schickt mir eure Antworten gern per Mail, hinterlasst eine Nachricht hier auf dem Blog oder schreibt mir bei Facebook. Bitte hinterlasst mir auch eure EMail Adresse, damit ich euch im Gewinnfall kontaktieren kann.

 

Aber nun wünsche ich euch viel Spaß beim stöbern, schauen und alles andere.

Ganz zum Schluss möchte ich noch erwähnen das die Blogtour auf mehreren Blogs und Seiten stattfindet, die sich alle über euren Besuch erfreuen würden.

 

 

 

 

Links zu weiteren Blogtouren....

 

Büchermama – 9. April
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